Anonyme Geburt oder Babynest zum Wohle von Mutter und Kind

Vielfältiges Angebot, aber dennoch gibt es immer wieder tragische Fälle  Haberlander lädt zu „Rundem Tisch“ um aktuelle Entwicklungen zu diskutieren

So sehr sich die meisten werdenden Mütter auf ihren Nachwuchs freuen, so sehr kommt ein Kind auch einer großen Verantwortung gleich. Nicht immer ist die Geburt eines Kindes für die Mutter ein freudig erwartetes Ereignis. In finanziellen, sozialen und psychischen Notsituationen bringen Schwangerschaft und Entbindung die Frauen an die Grenze der Belastbarkeit. Manche Mütter sehen sich daher dazu veranlasst, die Obsorge ihres Kindes jemand anderem anzuvertrauen. Um hierbei bestmögliche Unterstützung zu bieten, gibt es in ganz Oberösterreich verteilt vier Babynester (Babyklappen) oder die Möglichkeit einer anonymen Geburt.

 „Sein Kind nicht zu behalten ist niemals eine leichte Entscheidung. Wenn es aber keine andere Möglichkeit für die werdenden Mütter gibt, appelliere ich an all jene, von der anonymen Geburt Gebrauch zu machen. Es gibt zum einen eine Nachfrist, innerhalb sich die Mutter Zeit nehmen kann und auch noch für das Kind entscheiden kann. Zum anderen geht es um die Gesundheit von Mutter und Kind – wir garantieren eine anonyme Geburt unter medizinischer und pflegerischer Begleitung, sodass sich mögliche Risiken für die eigene Gesundheit, aber auch die des Kindes erheblich reduzieren. Sollte es dennoch zu einer Geburt außerhalb eines Krankenhauses kommen und man entscheidet sich gegen das Kind, kann und soll kein Weg an einem Babynest vorbeiführen, wo das Kind bestens versorgt wird.

Dieses Angebot besteht, aber dennoch gibt es tragische Fälle, wo es – aus unterschiedlichen Gründen – nicht genutzt wird. Um diese Möglichkeiten in den Vordergrund zu rücken und aktuelle Entwicklungen zu diskutieren, lade ich Vertreter der Polizei, Krankenhäuser, Bezirkshauptmannschaften und Frauenberatungsstellen zu einem runden Tisch ein“, betont Frauen- und Gesundheitsreferentin LH-Stellvertreterin Christine Haberlander.

Anonyme Geburt

Einigen werdenden Müttern wird bereits während der Schwangerschaft bewusst, dass sie die Verantwortung für ein kleines Lebewesen nicht übernehmen können. Sie haben die Möglichkeit bereits bei den ambulanten Kontrollterminen oder bei der Entbindung zu sagen, dass sie das Angebot der anonymen Geburt nutzen möchten. In beiden Fällen werden von den werdenden Müttern keinerlei Daten aufgenommen, sodass die Anonymität dauerhaft gewahrt bleibt.

Nach der Entbindung sind unterschiedliche Szenarien vorstellbar. Einige Frauen überlegen es sich anders und wollen das Kind behalten. Andere erholen sich in der Klinik von der Geburt, bleiben jedoch bei der Entscheidung, das Kind nicht mitzunehmen. Wieder andere entbinden ambulant – bedeutet, sie verlassen das Haus unmittelbar nach der Geburt und bekommen zur weiteren Betreuung eine Hebamme vermittelt. In all diesen Fällen ist die Gesundheit sowohl der Mutter als auch des Kindes in ärztlicher Betreuung und damit bestmöglich abgesichert, sollte es bei der Geburt zu Komplikationen kommen.

Die Kinder werden dann auf der Neugeborenenstation betreut und die Jugendwohlfahrt wird umgehend informiert. Nach Verstreichen einer gewissen Frist, in der sich die Mütter noch umentscheiden können, werden die Babys zur Adoption frei gegeben.

„Die anonyme Geburt gibt Frauen in dieser schwierigen Situation die Sicherheit, ihr Kind in einem geschützten Rahmen auf die Welt zu bringen. Das Kind hat somit die Chance auf Leben und ist dort, wo es hinkommt, lang ersehnt und willkommen“, so Kreißzimmer-Hebamme Susanne Pichler

 Babynest/Babyklappe

Insgesamt gibt es mit dem Kepler Uniklinikum, dem Klinikum Wels-Grieskirchen, dem Salzkammergut-Klinikum Vöcklabruck und den Bamherzigen Schwestern Ried, vier Babynester (Babyklappen) in ganz Oberösterreich. Für Mütter, die sich außer Stande sehen für ihre Kinder zu sorgen, kann und soll kein Weg an einem der sogenannten „Babynester“ vorbeiführen. Nur so haben die Mütter Gewissheit, dass das Kind bestmöglich versorgt ist.

Bei einem Babynest betritt man einen beheizten Raum, in welchem die Mutter noch einige Minuten Zeit bekommt, sich von ihrem Kind zu verabschieden. Nach der verstrichenen Zeit wird ein Alarm ausgelöst, damit sich Ärztinnen, Ärzte, Pflegemitarbeiterinnen und Pflegemitarbeiter um das Baby annehmen und es umfassend versorgen können. Das Ärzteteam kann zudem jederzeit von der Mutter angstfrei und anonym kontaktiert werden, um alle Fragen zum Befinden des Kindes beantwortet zu bekommen. Infoblätter dazu liegen vor Ort auf.

Genauso wie bei der anonymen Geburt geht die Obsorge für das Kind mit der Nutzung des Babynests an die Kinder- und Jugendhilfe über. Nach einer 14-tägigen Wartefrist wird ein Adoptionsverfahren für das Kind eingeleitet. Mütter können sich nach Freigabe ihres Kindes vertrauensvoll an unterschiedliche Anlaufstellen wenden.

„Die Babyklappe wurde vor mehr als 20 Jahren als Angebot für Mütter in ausweglosen Situationen etabliert. Dieses Angebot wird seither auch sporadisch genutzt. Gründe für die zurückhaltende Nutzung sind zum einen die Lage des Babynests im Zentralbereich der Klinik, wo doch viele Menschen unterwegs sind und die Anonymität nur bedingt gewahrt bleibt. Zum anderen befinden sich Frauen, die allein durch die Vorstellung von erstmaliger oder neuerlicher Mutterschaft völlig überfordert und oft auch alleingelassen sind, in einer psychischen Ausnahmesituation. Rationale Entscheidungen sind dann kaum mehr möglich. All das führt dazu, dass die Babynester nur selten genutzt werden und es immer wieder zu tragischen Ausgängen kommt“, erklärt Prim. Dr. Michael Merl, Leiter der Kinderschutzgruppe am Kepler Universitätsklinikum und einer der Initiatoren des Babynestes.

Foto: Wakolbinger